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Die EU-Mächtigen verhalten sich bei völlig gleicher Lage erstaunlich unterschiedlich – je nachdem, ob es um ein großes oder kleines Mitgliedsland geht. Einmal mischen sie sich kräftig ein, ein andermal überhaupt nicht.
Einige Beispiele des seltsam divergierenden EU-Verhaltens:
In Spanien, einem großen Mitgliedsland, kämpfen die Katalanen um ihre Unabhängigkeit. Die Madrider Zentralregierung geht dagegen mit sehr harter Hand vor. Die Katalanen haben deshalb mehrere Hilfsappelle an die EU gerichtet. Diese aber rührt keinen Finger, um zu helfen oder zu vermitteln. Im Gegenteil: Brüssel stellt sich mit vielerlei Äußerungen völlig einseitig an die Seite des Zentralstaates.
Für EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani ist die Katalonien-Krise eine "innere Angelegenheit Spaniens". Und er behauptet sogar: "Niemand in Europa würde die Unabhängigkeit Kataloniens anerkennen." Woher er auch immer das wissen will. Denn bisher haben die meisten Staaten keinerlei Beschlüsse über Anerkennung oder Nichtanerkennung Kataloniens gefasst.
In Europa sind in den letzten Jahren ja schon viele Staaten neu entstanden und anerkannt worden: die Slowakei, Kroatien, Slowenien, Bosnien, Mazedonien, Montenegro, Kosovo (dieses wurde zwar nicht durch alle, aber zumindest durch viele Staaten anerkannt) – und von der langen Liste postsowjetischer Staaten von Estland bis Georgien gar nicht zu reden.
Im Vergleich zu dieser Liste ist Katalonien wirtschaftlich stärker und lebensfähiger.
In Wahrheit ist der aus Italien kommende Tajani einzig von den Interessen des italienischen Zentralstaats geprägt. Und dieser wird ja selbst ähnlich wie Spanien immer intensiver von zentrifugalen Wünschen geplagt. Solche Wünsche kommen längst nicht mehr nur aus Südtirol, sondern insbesondere auch aus den großen und (wie Katalonien) wirtschaftlich produktiven Regionen Lombardei und Venetien, wo es gerade sehr gegen Rom ausfallende Referenden gegeben hat. Solche Zentralstaaten wie Italien mit Herausforderungen durch Sezessions- oder Autonomie-Probleme haben natürlich volle Sympathien für einen Erfolg der Madrider Härte.
Einen totalen Gegensatz stellt das Verhalten Brüssels gegenüber dem EU-Zwerg Malta dar. Dort ist vor kurzem eine Journalistin aus möglicherweise politischen Motiven ermordet worden. Im Falle Malta verlangt derselbe Tajani plötzlich eine internationale Untersuchung und ruft: "In diesem speziellen Fall muss Europa als Ganzes handeln." Seltsamer Gegensatz.
Griechenland, Irland und Portugal sind halbwegs konsequent zur Sanierung ihrer überschuldeten Staatsfinanzen gezwungen worden. Bei Irland und Portugal war das auch erfolgreich, bei Griechenland nur sehr teilweise. Italien und Frankreich sind zu gar nichts gezwungen worden. Und daher weiterhin total marod. Liegt der Unterschied in der Größe oder darin, dass die beiden Sünder EU-Gründungsländer sind?
Die Behandlung des mittelgroßen Österreich ist da irgendwie ein Mittelding. Zwar wiederholt man angesichts einer wahrscheinlichen neuen schwarz-blauen Koalition nicht mehr die Peinlichkeiten des Jahres 2000, als die anderen EU-Länder auf Wunsch der Sozialdemokraten und Frankreichs Sanktionen gegen Österreich verhängt haben, die dann jedoch nach ein paar Monaten kollabiert sind. Aber dennoch klingen manche aktuellen Äußerungen von Kommissionspräsident Juncker bis EVP-Fraktionschef Weber (CSU) noch immer unangenehm autoritär. Sie "erwarten" sich von Österreichs Regierung eine europafreundliche Haltung und teilen mit, was da keinesfalls "einen Platz hätte".
Gewiss: Ich als österreichischer Staatsbürger erwarte mir auch eine europafreundliche Haltung von der neuen Regierung – im Interesse Österreichs. Aber ich erwarte mir ebenso von der EU, dass sie sich da gar nicht einmischt und auch nicht einmal Erwartungshaltungen formuliert oder gar vorschreibt, was in Österreich "einen Platz hätte".
Die Österreicher erwarten sich auch, dass man Aussagen wie die des CDU-Europapolitikers Elmar Brok nicht mehr hören muss: "Es ist Herrn Kurz dringend anzuraten, sich in der Außen- und Europapolitik nicht von der FPÖ beeinflussen zu lassen." Das hat von einem führenden Politiker eines zehn Mal größeren Nachbarn einen eindeutig autoritär-drohenden Zungenschlag – selbst wenn es ja formal nur ein "Ratschlag" ist.
Und noch ein Beispiel: Gegenüber Polen und Ungarn pudeln sich EU-Politiker wegen der politischen Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Höchstgerichte auf und drohen sogar EU-Sanktionen an. Ganz ähnliche Einflussnahmen der österreichischen Regierung auf die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofs haben jedoch noch nie jemanden in der EU interessiert. Offenbar ist das nur böse, wenn sich die Falschen in die Justiz einmischen.
Es gibt einige ganz essenzielle Voraussetzungen für ein Funktionieren Europas, die man in Brüssel, Paris oder Berlin offenbar nicht mehr versteht (Helmut Kohl hat sie noch verstanden):
Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.