Am 28. Juni fand im Verfassungsgerichtshof eine Anhörung zu einem Antrag des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zur Frage statt, ob der erste Satz des §166 ABGB: „Mit der Obsorge für das uneheliche Kind ist die Mutter allein betraut." verfassungswidrig ist.
Dieser Satz gewährt nämlich ledigen Müttern automatisch die alleinige Obsorge über die Kinder, unabhängig davon, ob das Kindeswohl dabei gesichert ist, oder es die Kinder bei ihren Vätern einfach besser hätten. Den Familiengerichten fehlt so jegliche Legitimation zu prüfen, ob eine gemeinsame Obsorge oder gar ein Wechsel zum Vater für die Kinder besser wäre. Die Antragstellerinnen argumentieren damit, dass ledigen Vätern nur die „thermonukleare“ Möglichkeit bliebe, dass sie eine Gefährdung des Kindeswohls belegen müssten, was meist jede weitere Kommunikation mit den Müttern und den Kontakt zu den eigenen Kindern zunichte macht.
Argumentiert wurde auch mit der Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der im Fall Sporer vs. Österreich beschieden hatte, dass es gegen die Menschenrechtskonvention verstößt, wenn es für ledige Väter keine Möglichkeit gibt, gegen den Willen der Mutter die gemeinsame oder alleinige Obsorge zu beantragen.
Aktueller Stand bei der Obsorge
Für den Durchschnittsleser eine Hinweis: Die gemeinsame Obsorge nach einer Trennung würde garantieren, dass sich Väter auch selbstständig bei Dritten erkundigen könnten, wie es ihren Kindern geht. Sie könnten sich also, bevor sie an die Mutter herantreten, mit dem gleichen Informationsstand versorgen und dann, unterstützt durch eigene Erfahrungen, mit ihr in Verhandlung treten, um die optimale Lösung für die gemeinsamen Kinder zu finden.
Derzeit ist es so, dass nach einer Trennung der gesamte Informationsstand bei den Müttern erfragt werden muss. Bekommt man die notwendigen Informationen nicht, kann man einen Antrag beim Familiengericht stellen, und geht der durch, manche werden sogar vom OGH bestätigt, kann man bei weiterer Weigerung Antrag auf Beugestrafe stellen. Beugestrafen werden dann oft bzw. sinngemäß mit den lapidaren fünf Worten abgelehnt: „Verletzung der Informationspflicht ist sanktionslos.“ (EFSlg 68.893 u.a.). Es ist übrigens der kürzeste Rechtssatz, der mir je untergekommen ist.
Muss derzeit der Durchschnittsvater erst an die Durchschnittsmutter herantreten, entspricht das einem subjektiven Filter. Auch unterliegen getrennt lebende Durchschnittseltern gelegentlich Problemen in der Kommunikation, was vom Kern der Kontaktaufnahme im Sinne ihrer Durchschnittskinder ablenkt. Zusätzlich ist der Durchschnittsvater gegenüber der Durchschnittsmutter im außerfamiliären Leben höher qualifiziert.
Bei den durchschnittlichen Eltern verfügt der Durchschnittsvater über die höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit was gegenüber der Durchschnittsmutter naturgemäß höhere Wettbewerbsfähigkeit begründet, die an die Durchschnittskinder weitergegeben werden könnte. Kunststück, verlangt Staat und Gesellschaft doch von frühen Kindesbeinen an, dass Durchschnittsbuben sich dem Wettbewerb stellen.
Das den Durchschnittskindern über die Durchschnittsmutter zu vermitteln ist natürlich erheblich schwieriger, wenn man die Information gefiltert vorgesetzt bekommt. Streit ist praktisch vorprogrammiert, es sei denn, der Durchschnittsvater lässt sich auf den Wahrnehmungshorizont der Durchschnittsmutter herab. Ja, Sie haben richtig gelesen, ich trau mich was. Aber genau das verlangen auch die rund um das Familienrecht agierenden Institutionen.
Um den Durchschnitt einer Gruppe zu heben wird es notwendig sein, gesetzlichen Zwang auszuüben. Oder gesetzlichen Zwang abzuschaffen. Womit ich aus der Durchschnittsnummer wieder raus bin.
Rechtsprechung im Dunkeln
Es gibt also eine Rechtsgrundlage, die Information zu den eigenen Kindern garantiert. Im Laufe der Jahre hat sich aber in den oberen Instanzen eine Rechtsprechung etabliert, die diese Rechtsgrundlage ignoriert. Die erste Instanz kennt diese Rechtsprechung natürlich und urteilt entsprechend, will sie nicht, dass ihr Beschluss kassiert wird. Auch die Anwälte der Mütter und Väter kennen diese Rechtsprechung. Welche Seite daraus Vorteile zieht braucht nicht erläutert werden.
Das funktioniert nur, weil Familienverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden und jeder Gang an die Medien faktisch mit einem gerichtlichen Abbruch des Kontaktes zu den eigenen Kindern bedroht ist. So kann im Dunkeln gut Recht gesprochen werden. Auch hat sich rund um das Familienrecht eine kleine Industrie herangebildet die diese Dunkelheit nutzt.
Mitarbeiter von Jugendämtern, Sozialberufe, Jugendgerichtshilfe, Gutachter, Frauenvereine, Politiker, Anwälte und natürlich Richter. Gerade bei den Justizbediensteten tut sich auf Grund der Frauenquote einiges. Während Männer vor Eintritt in die Justiz ihren Dienst am Gemeinwohl nachweisen müssen, werden Frauen bevorzugt durchgewunken. Gleiche Qualifikation sieht anders aus.
Sozialberufe sind ohnehin deutlich weiblich besetzt, wobei das produzierte Überangebot durch die Schaffung immer neuer Institutionen– staatlich alimentierte – die berufliche Unterbringung gewährleistet. Fast alle profitieren so von diesem System, das die Kinder zwischen den Eltern aufreibt und als zweite Verlierer die Väter vorsieht. So wird gerade der Elternteil aus dem Leben der Kinder verbannt, der, je älter sie werden, für ihr weiteres Leben maßgebliche Bedeutung hätte.
Die Regierung ist dagegen
Zurück zur VfGH-Session. Die Gegenpartei, die Regierung, vertreten durch Dr. Michael Stormann für das Justizministerium und Mag.Dr. Anna Sporrer für das Bundeskanzleramt (Verfassungsdienst), ist dagegen, den Satz als verfassungswidrig aufzuheben. Da sich die Regierungsvertreter etwas unklar ausdrückten, veranlasste das den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Dr. Gerhard Holzinger, zu der sinngemäßen Frage, ob die Regierung etwa daran denke sich nicht an den Spruch des EGMR zu halten. Das saß.
Mag.Dr. Anna Sporrer führte auch aus, dass der Regierung nicht klar wäre, warum ledige Väter nicht bei gutem Wind die gemeinsame Obsorge anstreben würden. Was fast zu Lachern geführt hätte, da diese Möglichkeit ohne gerichtliche Überprüfung jederzeit und einseitig wieder aufgelöst werden kann.
Vielleicht lag die Ursache dieser Aussage einfach nur darin, dass Frau Mag.Dr. Sporrer ehemalige Leiterin der Gleichbehandlungskommission war. Diese Kommission erlaubt in weiten Teilen per Gesetz nur Frauen als Gleichbehandlungsanwältinnen – Wettbewerb sieht anders aus – und hat de facto nur weibliche Mitglieder. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie politisch zu nahe im Bereich von Frauenminister Gabriele Heinisch-Hosek agiert, wie sie unlängst zum Thema Einkommensschere in einem Leserinnenbrief durchblicken ließ.
Das Wissen um die „bereinigte“ Lohnquote seit vielen Jahren als Allgemeingut zu bezeichnen und selbst gutzuheißen, dass gleichzeitig mit falschen Zahlen agiert wird, ist für einen Beamten doch ein starkes Stück. Insbesondere da die Schließung der Einkommensschere gerne für das Verhindern anderer Gleichstellungsmaßnahmen herangezogen wird. Etwa bei der Obsorge.
Vom Familienministerium war übrigens nichts zu bemerken, was bei einem 40 Prozent-Anteil unehelicher Kindern doch gewagt ist.
Aussichten
Genau genommen gibt es für den Verfassungsgerichtshof keinen Grund, diesen gleichstellungswidrigen Satz nicht aufzuheben. Der zweite Satz, „Im übrigen gelten, soweit nicht anderes bestimmt ist, die das eheliche Kind betreffenden Bestimmungen über den Unterhalt und die Obsorge auch für das uneheliche Kind.“, deckt die Lücke zu den ehelichen Kindern ausreichend ab. Die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge, ohne, dass diese einseitig aufgelöst werden kann, wird ohnehin gerade zwischen Justizminister Beatrix Karl und Frauenminister Gabriele Heinisch-Hosek verhandelt. Wobei gleich neue Arbeit für den Verfassungsgerichtshof eingebaut werden soll, wünscht die Frauenvertretung eine Bewährungszeit nur für Väter. Aber das ist eine andere Baustelle.
Sollte der Satz tatsächlich aufgehoben werden bliebe den Gegnern nur die Möglichkeit, den Paragraphen in den Verfassungsrang zu heben. Was ja bei der Wehrpflicht und dem Pensionsantrittsalter auch kein Problem war. Vielleicht war das die Intention zu der Frage des VfGH-Präsidenten an die Regierungsvertreter.
Übrigens begehrte auch Bernhard Haaser, der Vater des 2007 getöteten Luca, Einlass, wurde aber wegen Überfüllung des Saales abgewiesen. Als ledigem Vater wurden ihm damals Informationen zum Gesundheitszustand seines Sohnes verwehrt und später auch die Informationen wann und wo sein Sohn beerdigt wird. Verständlich. Er hatte keine (gemeinsame) Obsorge.
Robert Boder beschäftigt sich hauptsächlich mit betrieblichen und gesellschaftlichen Gleichstellungsfragen.