Die merkwürdige Stille um das Gender-Budgeting

Österreich befindet sich in der bemerkenswerten Lage, zum Thema Gender-Budgeting mit Zahlen aufwarten zu können. Allerdings in eine Richtung, die den Erfindern nicht entgegen kommt. Für diejenigen, die nicht mehr wissen, wofür Gender-Budgeting steht: Es ist die Absicht der Politik, auf Grund eines weiblichen Bevölkerungsanteils von mehr als 50 Prozent und angenommener Benachteiligung von Durchschnittsfrauen aus dem Steuertopf geschlechtsspezifische Geldleistungen zu berechnen.

Im Detail sieht das allerdings so aus: Was man in Österreich genau weiß, sind die geschlechtsspezifischen Steuerleistungen, die der Staat von Lohn- und Einkommenssteuerpflichtigen einhebt. Aktuell weist die Statistik Austria für 2008 25,749 Milliarden Euro an Steuereinnahmen aus, wobei 73,4 Prozent von Männern erbracht wurden. Gleichzeitig gehen aus den 8,106 Milliarden Euro staatlicher Transferleistungen 60 Prozent an Frauen – 2007 waren es noch 57 Prozent.

2010 wurden die 6,977 Milliarden Arbeitsstunden zu 61,1 Prozent von Männern erbracht, zudem 71,1 Prozent der Überstunden. Der durchschnittlich erwerbstätige Mann verbrachte so 1.939 Stunden, die durchschnittlich erwerbstätige Frau 1.420 Stunden mit Erwerbsarbeit. Geht man davon aus, dass die Körperschaftssteuer auch überwiegend Männer verursachen, erhöht sich deren Anteil an geschlechtsspezifischen Steuerleistungen naturgemäß weiter.

Unterschiede durch die Berufswahl

Dass Männer im Schnitt mehr verdienen und so mehr Steuerleistungen erbringen liegt an ihrer Berufswahl und dem deutlich geringeren Teilzeitanteil. Vergleicht man exemplarisch die zehn bei Mädchen und Burschen beliebtesten Lehrberufe im Jahr 2011 nach dem Median der Nettoeinkommen im letzten Lehrjahr, ergeben sich folgende Einkommensscheren aus Sicht der Mädchen (Quelle: AMS-Berufslexikon, WKÖ):

 

Rang

Lehrberuf Mädchen

Lehrberuf Burschen

Einkommenschere

1.

Einzelhandelskauffrau

Metalltechniker

-26 %

2.

Bürokauffrau

Elektrotechniker

-17 %

3.

Friseurin

Kraftfahrzeugtechniker

-47 %

4.

Restaurantfachfrau

Installations- und Gebäudetechniker

-40 %

5.

Köchin

Einzelhandelskaufmann

13 %

6.

Gastronomiefachfrau

Tischler

-26 %

7.

Hotel- und Gastgewerbeassistentin

Koch

-24 %

8.

Pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin

Maurer

-48 %

9.

Verwaltungsassistentin

Maler und Anstreicher

4 %

10.

Metalltechnikerin

Zimmerer

10 %

Diese Form der beliebig fortführbaren Einkommensverteilung zum – selbst gewählten – Nachteil von Mädchen besteht also bereits bei Berufsbeginn. Um diese Einkommensschere zu schließen, müsste eine erhebliche Anzahl der Mädchen dazu gebracht werden, in die besser bezahlte Berufe zu wechseln.

Der Soziologe Otis Dudley Duncan hat die Berechnungsgrundlagen dafür bereits 1955 bereitgestellt: Für 2011 beträgt der Dissimilaritätsindex nach Duncan für die oben genannten sieben Lehrberufe 53 Prozent. Das heißt vereinfacht, dass 53 Prozent der weiblichen Berufsanfänger sich umorientieren und die Burschen aus den jeweils besser bezahlten Lehrberufen verdrängen müssten, um einen gleichen Einkommensmedian zu erreichen. Das beträfe immerhin 52 Prozent der männlichen und 60 Prozent der weiblichen Lehrlinge. Ähnliches gilt bei den Akademikerinnen. Frauen wählen gerne Studien, die persönliche Vorlieben bedienen, Männer die besser bezahlten technischen Fächer, Naturwissenschaften, Montanistik und in Deutschland Nautik. Man kommt sich also auch hier bei den besser bezahlten Berufen nicht in die Quere.

Unterschiede durch die Partnerwahl

Auf Grund von wissenschaftlich abgesicherten Partnerwahlkriterien treffen dann in allen Schichten Frauen auf meist besser bezahlte Männer. Und schon ist die innerfamiliäre Einkommensschere fertig, die später Erwerbs- und Familienarbeit aufteilt. Lange vor dem ersten Kind. Die sich heute noch getrauen zu heiraten, haben dann ihre Einkünfte in der Ehe so aufzuteilen, dass über die Unterhaltspflicht dem weniger verdienenden Partner 40 Prozent des Familieneinkommens zustehen, dem nicht berufstätigen ein Drittel. Schlimmstenfalls auch nach der Ehe.

Wie das genau abläuft erklärt das Buch „Scheidungsratgeber für Frauen: Verschuldungsfragen – Unterhaltsanspruch – Obsorge – Besuchsrecht – Vermögensaufteilung – Kosten“ von Dr. Helene Klaar. Es ist also eine Mär, dass Familienarbeit unbezahlt wäre, sie wird über innerfamiliäre Transferleistungen finanziert, die wiederum aus dem Erwerb kommen. Für ledige Paare hat Frauenministerin Heinisch-Hosek folgendes Transfermodell im Sinn: Wollen Väter die gemeinsame Obsorge, dann haben sie der Partnerin Unterhaltszahlungen zu leisten sowie „Witwenpension“ und Änderungen im Erbrecht hinzunehmen (Wiener Zeitung, 4.12.2009). Dass dazu quasi Kinder als „Geisel“ genommen werden ist zwar nicht empathisch, aber was tut man nicht alles für Geld und Stimmen der Wählerinnen.

Für diejenigen, die das mit den Partnerwahlkriterien nicht durchschaut oder schon vergessen haben, ein einfacher Test nach der Argumentationskette diverser Frauenministerinnen oder deren Vorfeldorganisationen: Wenn man als Mann zu Beginn der Familiengründung gegenüber der Partnerin deponiert, dass man daran denke – abgesehen von jeweils 16 Wochen Mutterschutz –, bei den Kindern daheim zu bleiben und der Partnerin Karriere und Versorgung der Familie zu überlassen, und dann nach ein paar Jahren Teilzeit arbeiten wolle, so riskiert man, die persönliche Evolution vorschnell zu beenden und zum Darwin-Award-Preisträger zu werden.

Männerdiskriminierung, Wehrpflicht und Lebenserwartung

Sieht man sich die gesetzlichen Diskriminierungen von Männern an, stößt man auf erbitterten politischen Widerstand, obwohl um an die Lebenserwartung der Männer geht. Männer arbeiten wegen des Einkommens verstärkt in mit höheren physischen und psychischen Stressoren belasteten Berufen. Und müssen das gleich fünf Jahre länger tun. Das faktische Pensionsantrittsalter von 59 Jahren stiehlt ihnen zusätzlich prozentuale, von 65 Jahren abzuziehende Beträge – während Durchschnittsfrauen bei einem faktischen Pensionsantritt mit 58 Jahren von 60 Jahren abwärts Abzüge erwarten dürfen. Gleiches passiert bei der Altersteilzeit.

Dass man Durchschnittsfrauen doch die besser bezahlten Berufe überlassen soll, wenn möglich ohne Wettbewerbsdruck, wirkt auf Grund des von Partnerwahlkriterien behafteten Statusdenkens naturgemäß nicht wirklich. Dass diese Berufe oft unter die Schwerarbeitsregelung fallen, tut ein Übriges. Dass die heutige Pensionsregelung mit ihrer geschlechtsspezifischen Umverteilungscharakteristik gezielt auch auf der kürzeren Lebenserwartung von Männern aufbaut ist ein zusätzliches makaberes Detail.

Ebenso makaber ist die Wehrpflicht nur für Männer. Während der Durchschnittsbürger die Gefahr für Soldaten mit Abgabe des letzten Schusses als gebannt sieht, hält die Demographie seit Jahrzehnten beklemmende Zahlen bereit: Die Statistik Austria sieht ab 1951 die Ursache für den hohen Frauenanteil, damals immerhin 54 Prozent, bei den gefallenen und vermissten Männern beider Weltkriege. Deutschland formuliert das übrigens ähnlich euphemistisch. Heute, 57 Jahre danach, nähert man sich langsam wieder dem Stand von 1910.

Dass frauenpolitisch damit geworben wird, man sei ja der größere Bevölkerungsanteil, dürfte an mangelndem Geschichtswissen und einer unbelasteten Einstellung liegen. Die Bevölkerungsforschung untersucht seit langem die Übersterblichkeit der die Weltkriege überlebenden Männer. In der Nachkriegsbevölkerung stirbt die Menge der überlebenden Männer tendenziell früher, als dies eine nicht vorselektierte Bevölkerung tun würde. Verletzungen, psychische Belastungen, Mangelernährung oder gesundheitliche Gefährdungen durch Kriegshandlungen verkürzen bei Überlebenden die Lebenserwartung.

Da diese Männer aber auch 50 und mehr Lebensjahre erreichen und erst dann verstärkt sterben, wirkt sich diese Veränderung der Gesundheitslage vom Krieg Betroffener nicht gleich nach Kriegsende aus, sondern sehr viel später. Bei Kriegsende männliche Jugendliche, unsere heutigen Väter, hatten nach Kriegsende durch Mangelernährung gegenüber weiblichen Jungendlichen ebenfalls eine kürzere Lebenserwartung. Unter anderem haben derartige Erkenntnisse den Europäischen Forschungsrat 2010 dazu bewogen, eine bemerkenswerte Studie auch auf Österreich auszudehnen, die festgestellt hat, dass mitteleuropäische Männer bis zu 4,5 Jahre länger leben könnten.

Das wären in einer „idealen Population“, pro Geburtsjahrgang bis zu 200.000 Lebensjahre, die österreichischen Männern da verloren gehen. Pro Geburtsjahrgang! Man stößt aber bei Wehrpflicht, Pensionsregelung oder Berufswahl und all deren negativen Folgen für Männer häufig auf die prompte, inhaltlich korrekte aber völlig untaugliche Antwort: „Selber schuld, warum macht Ihr das auch!“  Ein begeistertes „Gesetze wirken!“ hört man heutzutage nur dann, wenn von Frauenquoten die Rede ist.

Politische „Gender-Reformen“ gescheitert

Übrigens hat die Regierung Kreisky einige Monate vor der Änderung des Familienrechts 1975 die nur für Männer geltende Wehrpflicht in den Verfassungsrang gehoben, was an die Zementierung des ungleichen Pensionsantrittsalters für Frauen bis 2033, ebenfalls durch Verschiebung eines Gesetzes in den Verfassungsrang, durch die Regierung Vranitzky im Jahr 1992 erinnert. Kurz vorher hatte der Verfassungsgerichtshof zum ungleichen Pensionsantrittsalter festgestellt, dass das kein adäquater Ausgleich für Doppelbelastung, allfällige erhöhte körperliche Beanspruchung der Frau ist. In der Geschichte könnte das der SPÖ den Titel der Sexistischsten Partei Österreichs sichern.

Im Grunde genommen fehlen bei der Durchschnittsfrau jedwede Zwänge, von Anbeginn an eine Familie mit Kindern und Vater daheim durch Erwerbsarbeit ernähren zu müssen. Bis 1975 waren Männer gesetzlich gezwungen arbeiten zu gehen um Frau und Kinder zu versorgen. Das geht nun mal nur über besser bezahlte aber anstrengendere Erwerbsarbeit. Da Frauen seither nicht freiwillig die Maschinen gestürmt haben und man sich auch heute noch darauf verlassen kann, dass der besser Verdienende einer Vollzeit-Erwerbsarbeit mit Überstunden und der schlechter Verdienende Teilzeitarbeit nachgeht, kann man die hehren Motive für die von der SPÖ-Alleinregierung 1975 initiierten Änderung des Familienrechtes als gescheitert erachten. Insbesondere bei der Geburtenrate.

Näherten sich Männer etwa bei Berufswahl und Arbeitszeiten den Lebenswelten von Durchschnittsfrauen an, wäre es bald vorbei mit dem Wirtschaftsstandort Österreich, der seinen Wohlstand aus der Produktion schöpft. Damit ist nicht gesagt, dass Kindererziehung nicht aufreibend ist. Hört man sich allerdings an, was da oft als Belastung qualifiziert wird, ist man geneigt das Jugendamt anzurufen um das Kindeswohl nicht zu gefährden. Zudem hat, wenig überraschend, die höchste Lebenserwartung die Hausfrau und Mutter, die mit 40 Jahren noch auf mindestens 40 zusätzliche Jahre hoffen kann.

Dass man jetzt Väter in Karenz „zwingen“ will um die Partnerinnen im Erwerb zu unterstützen rundet das Bild dahingehend ab, dass gerade dann der besser Verdienende aus dem Erwerbsleben geholt werden soll, wenn die Durchschnittsfamilie deutlich mehr Geld benötigt. Dass das höhere Familieneinkommen letztlich den Kindern zu Gute kommt, hört man nicht. Aber Kinder können auch noch nicht Wählen. Ungewohnt deutliche Worte fand Christoph Hopfinger von SORA zum Arbeitsklima-Index am diesjährigen Frauentag in der ZiB. Männer werden ab dem ersten Kind oft unfreiwillig in die Erhalterrolle mit vermehrten Überstunden gedrängt, ab der Kinderbetreuung steigen Frauen in Teilzeit ein, aber Männer bleiben in den Überstunden gefangen. Kein Wunder, sieht man sich etwa die Preise für ein Ski-Wochenende mit der Familie an.

Lichtblicke in Sicht?

Die Richtung des Geldflusses ist also soweit geklärt, ohne dass irgendwo Frauendiskriminierung im Spiel wäre. Immerhin geht die Berufswahl von der Primärfamilie der Mädchen aus, lange bevor ein patriarchaler Partner auftaucht der einen an den Herd ketten könnte. Es wird sich also schwierig gestalten ohne Inserate und sonstigem Medianrummel zu verdeutlichen, dass man über Gender-Budgeting Geld aus dem Steuertopf benötigt um die Lebensqualität von Durchschnittsfrauen zu verbessern, wenn parallel dazu die Männer unnötig früh wegsterben. Liest man sich die Presseaussendungen durch, die so genannte Gleichstellungsparteien tagtäglich in rauen Mengen schreiben und vergleicht sie mit der Lebensrealität der Durchschnittsbevölkerung, bleibt nur der Begriff Propaganda übrig.

Eine Propaganda die im Kern tote Männer benötigt, um zu wirken. Aber es bewegt sich etwas. Bundespräsident Heinz Fischer hat die Wehrpflicht für Frauen angedacht und damit die SPÖ in Panik versetzt die durch Minister Norbert Darabos das Thema aus den Wahlkämpfen bringen will. ÖVP-Pensionistensprecher Andreas Khol hat die Lebenserwartung und das Pensionsantrittsalter junktimiert und damit nach außen ein deutliches Zeichen gesetzt, dass der Politik die Problematik bekannt ist. Im Bereich des Kleinkrams fallen durch sportlichen Ehrgeiz und unter großem medialen Hallo Preise für Fußballtickets oder Bahnkarten und bei der gemeinsamen Obsorge hat man die Koalitionskarte ausgespielt und Ministerin Bandion-Ortner entfernt die da (zu) weit gekommen war.

Die Revolution beginnt ganz zaghaft ihre Kinder zu fressen. Treffen wird es allerdings Frauen und Kinder, die deutliche Abstriche bei der Lebensqualität hinnehmen werden müssen, sollten die Parteien, die auf Diskriminierung großer Minderheiten setzen, bei den Wahlgängen keinen Dämpfer erhalten. Von den Frauen.

Robert Boder beschäftigt sich hauptsächlich mit betrieblichen und gesellschaftlichen Gleichstellungsfragen.

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